Das Brauchtum
“Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild,
waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe erht.”Das Jagdbrauchtum…
Auszug aus dem Gedicht “Waidmannsheil” von Oskar von Riesenthal (1880)
Inhaltsverzeichnis
Es war einmal…
Das Jagdbrauchtum ist so alt wie die Menschheit die sich auf den mühsamen Weg der Nahrungsbeschaffung begibt.
Seit der Mensch Tiere als Nahrungsquelle entdeckt hat, haben sich Rituale entwickelt, sprachliche Ausprägungen sind entstanden und, das mag den nicht Jäger verwirren, es haben sich ethische Regeln etabliert die bis heute beim pflichtbewussten Jäger im Vordergrund stehen.
Man nennt dies schlicht ‘Jagdkultur’
Immer wieder hat man sich über die ‘verschleierte’ Sprache der Jäger gewundert. Doch, was ist die Waidmannssprache den eigentlich?
Die Waidmannssprache
Die Waidmannssprache – ein wichtiger Teil des Brauchtum – entwickelte sich um das 12. Jahrhundert herum als Zunftsprache zu der heutigen bekannten Form. Im heutigen Gebrauch haben sich jedoch nur etwa die Hälfte dieser Begriffe halten können
Der Ursprung der Waidmannssprache liegt in der präzisen Beschreibung von Beobachtungen in der Natur.
Diese Sprache war zu keiner Zeit ein starres Gebilde. Sie war im lauf der Zeit vielen Änderungen unterworfen und hat im Verlauf der Zeit auch regionale Ausprägungen gebildet.
Beispiele der Waidmanssprache
Das Reh äst bei der Nahrungsaufnahme, es nässt beim Wasser lassen, es äugt beim Beobachten der Umgebung und es schöpft beim Trinken.
Die Fähe – die Füchsin – geht dick wenn sie nach der Ranzzeit, der Paarungszeit, trächtig ist, sie wölft wenn sie gebärt, sie betreut die Jungen anschliessend, das Geheck.
Der Hase – Meister Lampe – fährt ins Lager, er schnellt aus der Sasse, schlägt Haken und hoppelt.
So werden mit der Jägersprache jagdbezogene Vorgänge und Gegenstände oder Gliedmassen, Lebenszeichen und Aufenthaltsorte des Wildes bezeichnet. Einige Ausdrücke sind sogar in den allgemeinen Volksgebrauch übergegangen: “Schau mal, wie der Haken schlägt.”; “Der ist mir durch die Lappen gegangen!”; “Du kriegst einen hinter die Löffel!”; “Der hat Wind davon bekommen!”; “Die sind sich aber böse ins Gehege gekommen…”; “Du, der hat dich auf’s Korn genommen!” oder “Jetzt werfe ich aber die Flinte in’s Korn!”.
Eine sehr imposante Zusammenfassung der Begriffe der Jagdsprache ist im Artikel von Erich Schmied unter dieser Adresse zu finden: https://issuu.com/erichschmid/docs/flyer_weidmannsprache
Das äusserliche Auftreten des Jägers
Auch die Bekleidung der Jäger hat zusammen mit der Industrialisierung eine rasante Entwicklung durch-gemacht. Waren früher nur Naturstoffe wie Loden oder Leder gebräuchlich, so sind heute Gore-Tex oder membrane Textilien nicht mehr weg zu denken.
Ebenso in Bezug auf die Farbenwahl gab es ein Umdenken.
Vor gar nicht so langer Zeit war noch das “Jägergrün” das einzig geduldete. Heute sind Warnfarben auf den Drück- und Herbstjagden vorgeschrieben und auch andere Farbtöne wie Braun oder Beige oder 3D-Tarnmuster werden verbreitet getragen.
Nur militärische Tarnmuster sind auf der Jagd, wohl nicht zu unrecht, immer noch nicht gerne gesehen.
Der Hut des Jägers
Eine Kopfbedeckung sollte der Jäger eigentlich immer tragen. Nicht nur aus klimatischen Gründen, nein besonders für den Schützenbruch oder eben auch für den Trauerbruch…
In Deutschland und Österreich sind für feierliche oder kirchliche Anlässe die Trachten der Waidfrauen und Waidmänner nicht weg zu denken. Diese Trachten sind oft mit vielen Arten von Jagdschmuck wie eingefassten Grandeln, Hirschrosen mit Kordel anstelle der Krawatte kombiniert.
Der Hut wird zu solchen Anlässen gerne mit schönen Gams- oder Saubärten oder Eichelhäherfedern geschmückt.
Jagdhornsignale und Jagdlieder
Ein musikalischer Teil des Brauchtum sind die Jagdhornsignale. Sie entstanden aus dem Bedürfnis heraus, auch auf weite Distanzen unter den Jägern und Treibern kommunizieren zu können. So wurden zum Beispiel mit dem Fürst-Pless-Horn Leitsignale wie “Treiber in den Kessel”, “Laut treiben” und “Leise treiben” für die Treiber oder “Hahn in Ruh” für Jagd vorbei oder “Sammeln der Jäger” geblasen.
Hier ein Beispiel: Die Begrüssung
Technische Hilfsmittel wie Mobiltelefone oder Funkgeräte gab es früher noch nicht und sie waren in der Schweiz auch lange für die Nutzung auf der Jagd verboten…
Die Jagdleitsignale sind in der Schweiz nicht mehr gebräuchlich. Es wird nur noch zum Beginn und zum Ende der Treib- oder Drückjagd geblasen und das Signal von Jäger zu Jäger weitergegeben. Totsignale werden üblicherweise zu Ehren des liegenden Tieres intoniert.
Auch üblich ist dass das Ende der Jagd ‘Jagd vorbei’ und schliesslich das ‘Halali’ geblasen wird.
Die Jagdlieder
Die Lieder der Jäger werden traditionell am Schüsseltreiben – dem gemeinsamen Essen während oder nach einer Gesellschaftsjagd – gesungen.
Strecken legen
Untrennbar mit den Totsignalen verbunden ist das ‘zur Strecke legen’ des erlegten Wildes nach einer gemeinschaftlichen Drück- oder Treibjagd. Beides sind alte Bräuche und eine Geste der Achtung dem erlegten Wild gegenüber.
Das Brauchtum will dass der Platz auf dem das Wild zur Strecke gelegt wird, sollte mit Tannenzweigen ausgelegt werden.
Beim Legen der Strecke haben Schützen wie Treiber achtsam mit dem Wild umzugehen. Es ist höchst verpönt, das Wild hinzuwerfen oder darüber hinweg zu treten. Dies würde als Missachtung und Geringschätzung gegenüber dem Wild gewertet werden.
Alles Wild liegt auf der rechten Körperseite, auf der linken Seite liegt ein Bruch. Grundsätzlich streng traditionell steht der Jagdherr vor der Strecke und die Schützen stehen mit gebrochener (geöffneter) Waffe und mit Hut auf dem Kopf gleich hinter ihm. Die Bläser, und gleich hinter ihnen die Treiber, stehen hinter der Strecke.
Bei den Herbstjagden in er Schweiz sieht das so aus, dass beim Verblasen der Strecke, nur die Bläser hinter der Strecke stehen.
Jäger und Treiber stehen gemeinsam vor der Strecke. Wenn die Bläser die Totsignale geblasen haben, tritt der Jagdleiter an ihre Stelle, lässt den Jagdtag Revue passieren und verteilt die Schützenbrüche.
Anschliessend blasen die Bläser noch Jagd vorbei und Halali.
Hier die groben Regeln
- Das Wild am Streckenplatz auf die rechte Körperseite legen.
- Reihenfolge: Zuerst das Hochwild, dann das Niederwild
- Männliches Wild vor weiblichem Wild
- starkes Wild vor schwachem Wild
- Haarwild vor Federwild
- Jedes zehnte Stück der Art eine halbe Körperlänge vorziehen
Da bei uns in der Region, und auch generell überall in den Revierjagdkantonen, die Strecken nur klein sind, wird grundsätzlich bei erlegten Schwarz- und Rehwild, dieses beginnend mit Schwarzwild in einer Linie zur Strecke gelegt. Erst dahinter folgen dann allfällig erlegte Füchse.
Bruchzeichen
Mitteilungsbrüche
Man mag es kaum zu glauben, es gab Zeiten in denen es noch kein Handy und kein Funkgerät gab – ich habe diese schöne Zeit noch selbst erleben dürfen 🙂
In dieser grauen Vorzeit war es für Jäger trotzdem möglich sich unter einander zu verständigen – die Bruchzeichen waren das Hilfsmittel (und sind es, zwar sehr reduziert immer noch…)
Für die Bruchzeichen wurden die fünf ‘gerechten Holzarten’
- Eiche
- Kiefer
- Fichte
- Weisstanne
- Erle
verwendet.
Die Brüche wurden, wie der Name sagt, immer gebrochen und nie mit dem Messer geschnitten.
Hauptbruch ‘Achtung’
Aufgabe: Aufmerksamkeitserregung
Aussehen: armlanger Zweig, ohne Rinde zwischen den Blättern oder Nadeln, wird auf den Boden gelegt oder aufgehängt.
Leitbruch – “Folge mir”
Aufgabe: Richtungsanzeige
Aussehen: Einseitig ohne Rinde, liegt auf dem Boden, gewachsene Spitze zeigt zum Zielpunkt.
Anschlussbruch – “Schau hier genau hin”
Aufgabe: Kennzeichnet den Anschuss für eine Nachsuche.
Aussehen: Senkrecht in den Boden gesteckter, unbearbeiteter Zweig.
Fährtenbruch – “Fluchtrichtung”
Aufgabe: Liegt beim Anschussbruch auf dem Boden und zeigt die Fluchtrichtung des beschossenen Stücks an.
Aussehen: halbarmlanger Zweig, nichtbefegt, aber angespitzt. Das angespitzte Ende zeigt die Fluchtrichtung des Wildes an.
Soll das Geschlecht des beschossenen Stücks deutlich werden, muss der Fährtenbruch geäftert werden, das heisst ein kleiner Querbruch (Afterbruch) hinter ihn gelegt werden. Bei männlichem Wild kennzeichnet dann das angespitzte Ende die Fluchtrichtung, bei weiblichem Wild das gewachsenen Ende.
Standplatzbruch – “Hier ist dein Standplatz”
Aufgabe: Markiert die Stelle, die einem Schützen auf einer Gesellschaftsjagd zugewiesen wird. Manchmal liegt ein zusätzlicher Leitbruch daneben, der dem Jäger zeigt, in welche Richtung er nach Beendigung der Jagd seinen Stand verlassen soll.
Aussehen: Alle Seitentriebe sind entfernt. Steckt senkrecht im Boden.
Warnbruch – “Achtung Gefahr!”
Aufgabe: Kennzeichnet eine Gefahrenstelle.
Aussehen: Ein zum Kreis gebundener Zweig, von dem alle Seitenäste und die Rinde entfernt wurde.
Wartebruch – “Bitte hier bleiben und warten” und “Warten aufgegeben”
Aufgabe: Kennzeichnung eines Sammel- oder Warteplatzes.
Aussehen: Zwei armlange, kreuzförmig übereinander gelegte Zweige.
Aneignungs- oder Inbesitznahmebruch
Aufgabe: Kennzeichnet das bisher herrenlose Wild als Eigentum des Erlegers.
Aussehen: Unbearbeiteter Zweig, der auf dem Wildkörper liegt. Bei männlichen Stücken zeigt das gebrochene Ende zum Haupt, bei weiblichen Stücken die gewachsene Spitze. Meistens wird der Ein- bzw. Ausschuss mit dem Bruch verdeckt.
Schützenbruch, Erlegerbruch – Suchen Heil
Aufgabe: Zeigt anderen Jäger an, dass der Träger des Bruchs Wild erlegt hat.
Aussehen: Ein unbearbeiteter Zweig, der mit etwas Schweiss vom erlegten Stück benetzt wird. Ist der Jäger alleine, bricht er sich selbst den Erlegerbruch. Ansonsten überreicht der Jagdleiter, Revierinhaber oder ein Jagdkamerad den Erlegerbruch auf seinem abgenommenen Hut oder auf der Klinge des Jagdnickers oder Hirschfängers. Dabei wünscht er dem Erleger mit einem Händedruck „Waidmannsheil“ während der Schütze den Bruch mit der linken Hand entgegennimmt, um ihn dann auf die rechte Hutseite zu stecken. Ein Erlegerbruch wird für folgende Wildarten überreicht: alles Schalenwild, Fuchs, Murmeltier und Raufusshühner.
Nachsuchebruch
Aufgabe: Zeigt, dass ein Jagdhund das nachgesuchte Stück gefunden hat.
Aussehen: Es handelt sich im einen Erlegerbruch, der dem Schützen vom Nachsuchenführer überreicht wird. Der Bruch wird dann geteilt und die andere Hälfte dem Hund an die Halsung gesteckt.
Nachrichtenbruch
Dieser Bruch ist noch nicht allgemein eingeführt und wird nur sehr vereinzelt verwendet. Es ist ein Folgebruch, der mit einem Stück Forstmarkierband durch Umknotung „dekoriert“ ist. In unmittelbarer Nähe der gewachsenen Spitze ist eine Nachricht (Papier mit Notiz) zu finden (meist „verblendet“ = verdeckt).
Brauchtumsbrüche
Letzter Bissen
Aufgabe: Ehrfurcht vor der Schöpfung. Symbolisiert die letzte Mahlzeit vor dem Tode.
Aussehen: Kleiner, unbearbeiteter Zweig, der dem erlegten Wild quer in den Äser gelegt wird.
Trauerbruch
Aufgabe: Ausdruck der Trauer um einen verstorbenen Jagdkameraden.
Aussehen: Der Bruch wird an der linken Hutseite getragen. Dabei zeigt die Nadel- bzw. Blattunterseite nach aussen. Der Bruch wird mit einem „Waidmannsdank“ ins offene Grab geworfen.
Bett
Aufgabe: Ehrerbietung vor dem erlegten Wild.
Aussehen: Die Strecke wird am Sammelplatz auf ein Bett von Brüchen gelegt.
Die Ethik
Dies ist ein Begriff, die ein Jagdgegner bei einem Jäger wohl nicht erwartet. Der Begriff der Ethik ist wohl neuzeitlich aber die Achtung – das Waidmännische Verhalten – gegenüber dem Wild ist wohl so alt die die Jagd selbst.
Dies hier sind ein paar Grundsätze die einem zu diesem Thema präsent sein sollten:
- so wird an der Fütterung nicht auf Wild geschossen.
- ein krankgeschossenes Stück Wild ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nachzusuchen.
- es ist unwaidmännisch auf zu weite Entfernung auf Wild zu schiessen.
- es wird kein im Lager oder im Sitzen befindliches Wild erlegt.
- Enten werden nur im Flug beschossen.
- in Notzeiten ist das Wild artgerecht zu füttern.
- es wird erst geschossen, wenn das Wild genau angesprochen werden konnte und es einen Kugelfang hat.
- Jedes Stück Schalenwild wird mit dem Haupt nach vorne geschleppt, getragen oder gefahren.
- Ein Kugelschuss auf gesundes Wild, spitz von hinten abgegeben, ist unwaidmännisch.
- an Wildbrücken wird das Wild nicht bejagt.
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